Die Integration von vorher ausgeklammerten Gefühlen beruht auf folgendem Verstehen: Wenn sich jetzt ein Gefühl unangenehm anfühlt, dann nicht, weil es von sich aus, auf Grund seiner Natur, unangenehm ist, sondern weil ich eine ablehnende Haltung, einen schlecht-machenden Blickwinkel dazu eingenommen habe.

Auch wenn sich mit dem hochkommenden Gefühl zugleich auch der bisherige, negative Blickwinkel anbietet, JETZT habe ich eine neue Wahl, jetzt habe ich die Möglichkeit, dieses Gefühl mit einem annehmendem Blickwinkel da sein zu lassen, willkommen zu heißen, zu integrieren.

Die praktische Anwendung des vierten Elementes besteht auch darin, dass wir unsere individuell verschiedenen Quellen und Wege der Integration herausfinden und ins Spiel bringen. Solche Quellen sind zum Beispiel: Selbstliebe für den aktivierten Teil, Sinn für Wahrheit als Wert in sich, Humor, die Sehnsucht sich selbst besser zu kennen und authentisch zu sein, die Motivation, innerlich zu wachsen, Vertrauen in etwas Umfassendes (das Leben, die Existenz, Gott, etc.) und anderes mehr.

Samaya-Lehrer arbeiten zum Beispiel auch mit einer Blickwinkel-Liste: “111 Wege, jede beliebige Erfahrung in deine Daseinsfreude miteinzubeziehen.“ Während der Sitzung werden dann vom Samaya-Schüler vorher ausgewählte, integrative Blickwinkel angewendet. Er erfährt dadurch, welche inneren Quellen, welche Integrations-Wege und Blickwinkel tatsächlich für ihn wirken. Je mehr er diese dann bewusst einsetzt, um so mehr gewinnen sie an Wirkungskraft.

Die Wirkung dieser Sätze entsteht dabei nicht, indem wir sie rein gedanklich wiederholen. Es sind vielmehr Vorschläge zu subtilem inneren Verhalten.

Zum Beispiel: Du hast vor der Sitzung die Nummer 9 angekreuzt, weil du in deinem Leben schon oft ein Gefühl integrieren konntest, sobald du diesem Teil von dir Liebe gegeben hast. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass Selbst-Liebe eine Integrationsquelle für dich ist. Wenn du nun in deiner Sitzung an einen ausgeklammerten Teil von dir kommst, wirst du möglicherweise zunächst in der alten ablehnenden Haltung verharren. Dein Samaya-Lehrer wird dir nun vorschlagen, dem aktivierten Teil deine Liebe zu geben. Damit ist nicht nur ein gedanklicher Vorgang gemeint – es ist ein subtiles inneres Verhalten: Statt in der ablehnenden Haltung zu verharren, verbindest du dich mit deiner Liebe und gibst dem bewegten Anteil von da aus Liebe.

Wenn es dir möglich ist, auf diese Weise zu integrieren, wird deine Liebe als Integrationsquelle an Kraft gewonnen haben. Wenn es dir nicht möglich ist, gibt dir das auch eine wichtige Information: deine stärkste Integrationsquelle wird vielleicht woanders liegen.

Ein anderes Beispiel: Der Blickwinkel Nummer 16 lautet: “Bemerke, dass die dazugehörige Situation schon vorbei ist, und es ietzt sicher ist, die Gefühle dazu zu spüren.” Dieser Blickwinkel ist immer dann sehr hilfreich, wenn du eine Angst spürst, die sich auf vergangene Bedrohung oder Verletzung bezieht. Solange der angstvolle Teil noch nicht die Nachricht empfangen hat, dass die Gefahr vorbei ist, wird “Die-Angst-Spüren” für ihn gleichbedeutend sein mit “In-Gefahr-Sein”. Er wird kämpfen wollen oder fliehen, aber nicht auf dem Boden liegen, die Augen zumachen und entspannen! Je mehr der angstvolle Teil den Blickwinkel Nummer 16 einnehmen kann, desto leichter wird er entspannen können.

Mindestbasis

Ein weiteres Beispiel: Der Blickwinkel Nummer 2 lautet: “Auch wenn du es furchtbar findest, nimm zur Kenntnis: Es ist so, wie es ist, und dir bleibt wohl nichts anderes übrig – akzeptiere es!“ Dies ist die sogenannte Mindestbasis der Integration: Du kannst nichts Akzeptables, Liebenswertes oder Bereicherndes an dem Gefühl finden, du bestehst darauf, dass das Gefühl furchtbar ist; aber du erkennst, dass es so ist, wie es ist und akzeptierst es – du gibst den Kampf gegen dein Gefühl auf. Mit dieser Mindestbasis an Akzeptanz ist Integration immer möglich.

Wenn du hingegen nicht bereit bist, diese Haltung anzunehmen, dann geht es gar nicht darum, einen passenden Blickwinkel zu finden. Dann investiert der größte Teil von dir nämlich immer noch in den Kampf gegen das Gefühl. Du kannst dann zwar im Bemühen, es richtig zu machen, eine annehmende Maske über die ablehnende Haltung ziehen, aber das wird nicht wirken. Sinnvoller ist dann, das bewusst zu tun, was du gerade tust, nämlich gegen das Gefühl ankämpfen – dann kannst du dieses Kämpfen auch integrieren.

 

>